Andrea Cabeza und Andrea Steinriede auf der Terrasse des Heilig-Geist-Hospizes. Der Strandkorb konnte dank einer Aktion gekauft werden, die Andrea Cabeza zu Beginn der Corona-Krise initiiert hat: Gemeinsam mit ihren Kolleginnen nähte und verkaufte sie Stoffmasken. Der Reinerlös machte aus dem Traum vom Strandkorb im Innenhof Realität.

Andrea Cabeza und Andrea Steinriede berichten von ihrer Arbeit

Pflege im Hospiz: Wo der Tod zum Leben gehört

Gut leben bis zuletzt – das ist für Andrea Cabeza und Andrea Steinriede keine bloße Floskel. Es ist genau das, was sie mit ihrer Arbeit im Heilig-Geist-Hospiz Tag für Tag möglich machen. Die beiden Pflegerinnen begleiten Schwerstkranke, für die es nach medizinischem Ermessen keine Heilung mehr gibt. Manche bleiben nur einige Tage, andere einige Monate in dem Haus an der Unnaer Klosterstraße. Allen gemeinsam ist der Wunsch nach so viel Lebensqualität wie möglich. Andrea Cabeza und Andrea Steinriede erzählen, worauf es dabei ankommt.

Welche Fähigkeiten sollte man mitbringen, um in einem Hospiz zu arbeiten?

Andrea Cabeza: Zunächst einmal muss jeder und jedem, der hier arbeitet, klar sein, dass wir eine andere Aufgabe haben als im Krankenhaus: Hier geht es nicht darum, Leben zu erhalten, sondern die verbleibende Zeit so gut wie möglich zu gestalten. Dafür sollte man selbst ein lebensbejahender Mensch sein, der selbstständig arbeiten und sich auf individuelle Situationen einstellen kann. Wer nur Alltagsroutine sucht, ist hier fehl am Platz. Entweder man geht ganz in dieser Aufgabe auf oder man lässt es schnell wieder.

Und welche fachlichen Qualifikationen sind Voraussetzung?

Andrea Steinriede: Unser Team besteht aus geprüften Fachpflegekräften, die bereits eine Palliative-Care-Zusatzausbildung haben oder berufsbegleitend machen. „Palliative Care“ bedeutet übersetzt „mit einem Mantel umhüllend“ und ist ein ganzheitliches Betreuungskonzept für Menschen, die sich im fortgeschrittenen Stadium einer unheilbaren Erkrankung befinden. Das erfordert eine symptomorientierte, kreative, individuelle Pflege und auch die persönliche Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer. Ich selbst war nach meiner Ausbildung im Katharinen-Hospital bereits in München und später im St.-Johannes-Hospital in Dortmund auf einer Palliativstation tätig und bringe daher sehr spezifische Berufserfahrung mit.

Andrea Cabeza: Es gibt aber auch Kolleginnen aus ganz anderen Bereichen, zum Beispiel aus der Psychiatrie. Sie alle schätzen es, dank des guten Personalschlüssels im Hospiz, unseren Gästen und Angehörigen die Aufmerksamkeit geben zu können, die sie in ihrer besonderen Situation benötigen.

Frau Cabeza, was hat Sie persönlich bewogen, sich hier zu engagieren?

Es war auch bei mir vor allem das Anliegen, ausreichend Zeit für die Menschen zu haben, die ich betreue. Ich habe 25 Jahre in der Ambulanten Pflege gearbeitet – immer unter Druck: zwei Minuten für die Tablette, drei Minuten für die Spritze… Das ist für den Patienten und die Pflegekraft belastend. Hier im Hospiz steht wirklich der Mensch im Mittelpunkt, dem wir mit viel Achtsamkeit begegnen und dabei unterstützen, trotz schwerer Krankheit selbstbestimmt zu leben. Ich bin froh, mit 53 Jahren diesen Schritt getan zu haben und nehme aus jeder Begleitung eines Sterbenden ganz viel mit.

Wie gibt man Sterbenden Lebensqualität? Das können sich die meisten Menschen nur schwer vorstellen.

Andrea Cabeza: Wir können unsere Gäste nicht um all ihren Schmerz, aber dank der modernen Medizin und Pflege doch um einen wesentlichen Teil ihres körperlichen Schmerzes erleichtern. Das ist zunächst einmal die Grundvoraussetzung dafür, dass sie an der Gemeinschaft teilhaben. Es geht darum, Zeit zu gestalten und durchaus dabei auch Ablenkung zu ermöglichen, zum Beispiel durch eine Einreibung mit Lavendelöl, ein Kaffeetrinken auf der Terrasse oder Kunst und Musik – damit sich niemand nur krank und gebrechlich fühlt, sondern ganz und gar Mensch ist.

Andrea Steinriede: Viele Besucher, die zu uns kommen, wundern sich, dass hier im Haus viel gelacht wird. Sie glauben zunächst, alles ist still und traurig. Auch viele Gäste, die bei uns einziehen, haben davor Angst und sind dann ganz erleichtert. Sie genießen die fröhliche, herzliche Atmosphäre und das Miteinander, an dem man natürlich nicht teilnehmen muss, aber jederzeit kann.

Trotzdem gibt es sicherlich auch viele traurige Momente. Wie gehen Sie damit um?

Andrea Cabeza: Es bleibt traurig, wenn ein Mensch stirbt und natürlich müssen wir uns damit auseinandersetzen. Zudem gibt es natürlich immer wieder Gäste, die einem besonders ans Herz wachsen. Wir sind ein gutes Team, was vieles leichter macht. Wir achten aufeinander. Es gibt regelmäßig Fallbesprechungen und Supervisionen.

Andrea Steinriede: Es helfen auch Rituale, das Abschied nehmen zu erleichtern. Wir stellen zum Beispiel immer ein Licht vor dem Zimmer eines verstorbenen Gastes auf. Und ein großer Trost ist natürlich die Erfahrung, wenn ein Mensch bis zuletzt mit nur geringen Beschwerden, angstfrei und gut versorgt gelebt hat. Das ist auch für die Angehörigen ganz wichtig.

Die Angehörigen sind im Hospiz jederzeit willkommen und Teil der Gemeinschaft. Welche Hilfe benötigen sie?

Andrea Steinriede: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Menschen, die fühlen sich überfordert und brauchen viel Zeit für Gespräche und Begleitung. Andere wissen instinktiv, worauf es ankommt. Das hängt auch viel mit der jeweiligen Familienkonstellation zusammen. Gibt es ungelöste Konflikte, ist das Abschied nehmen überschattet. Man darf nie vergessen, dass ein Sterbender immer auch Vater, Bruder, Ehemann oder Freund ist. Es ist schön, wenn wir mit unserer Arbeit dazu beitragen können, Brücken zu bauen.

Andrea Cabeza: Es gibt außerdem das grundsätzliche Problem, dass das Sterben, Tod und Trauer in unserer Gesellschaft so tabuisiert sind. Niemand redet gerne darüber, sofort entsteht eine angespannte Atmosphäre. Es ist wichtig, offen zu sprechen und dafür ausreichend Zeit und Raum zu haben.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Andrea Steinriede: Dass die moderne Hospizbewegung tatsächlich dazu beiträgt, dass wir alle den Tod als Teil des Lebens begreifen. Wir werden alle geboren und wir werden alle einmal sterben. Warum also im Alltag so tun, als würde der Tod uns nichts angehen?

Und haben Sie auch einen ganz konkreten Wunsch für das Heilig-Geist-Hospiz?

Andrea Cabeza und Andrea Steinriede: Ja, da gibt es tatsächlich etwas. Wir sind hier ein tolles Pflegeteam, aber es ist rein weiblich. Es wäre schön, wenn auch Männer dabei wären. Das gehört eigentlich zu einer ganzheitlichen Pflege dazu.